HEIMATGESCHICHTE
Was ein Wegkreuz erzählen kann
Marterln gibt es so einige. Eines in Ottmarshausen ist aber anders. Seine Spuren führen bis in den ukrainischen Hochadel
Immer wieder begegnet man am Wegrand Flurkreuzen, auch Wegkreuze oder nach bayerischer Mundart „Marterln“ genannt. Sie dienten oft als Wegmarkierung für Wanderer und Pilger, heute gehören sie einfach zum Straßenbild. Der ortsgeschichtliche Arbeitskreis Ottmarshausen-Hammel hat sich dieser Feldkreuze vor drei Jahren angenommen und deren Geschichte in einer Broschüre „Zeichen am Weg“ zusammengetragen. Eines dieser Kreuze allerdings unterscheidet sich in Form und Erscheinungsbild deutlich von den übrigen, weswegen man sich auch mit der Familiengeschichte näher befasste.
Dabei ist man auf die Wurzeln der Flüchtlingsfamilie Kotschubey gestoßen, die ihre Spuren am Ort hinterlassen hat. Sie gehörte der griechisch-orthodoxen Kirche an, und deren Kreuz hat drei Querbalken in unterschiedlicher Länge, dessen unterster nicht rechtwinklig zur Hauptachse steht, sondern leicht schräg. „Im Juni 1938 zog die Familie nach Ottmarshausen“, erzählt Josef Löflath, dies konnten die Ortsgeschichtler aus dem Anmeldeformular noch recherchieren. Die Kotschubeys entstammten dem russischen Hochadel und lebten in der Ukraine, auf einem Schloss in Kiew. Die russische Zarenherrschaft unter Zar Nikolaus II. neigte sich dem Ende zu, die Oktoberrevolution 1917 war schließlich der Anlass, weshalb die Familie aus ihrer Heimat flüchtete. Der lange Weg führte sie über Polen nach Deutschland, und über München kam die Fürstin Kotschubey mit ihren Kindern Alexander und Helene nach Ottmarshausen.
Alten Aufzeichnungen und Erzählungen zufolge gab Alexander in Ottmarshausen privaten Fremdsprachenunterricht, und die Familie sei beliebt gewesen. Der Ottmarshauser Maximilian Huber kann sich noch an eine Prozession erinnern anlässlich der Beerdigung von Alexander Wasiljewitsch Kotschubey, der 1946 starb und auf dessen Grab dieses orthodoxe Kreuz aufgestellt wurde. „Irgendwann wurde es versetzt und stand als Wegkreuz an der Aystetter Straße, ziemlich genau gegenüber dem alten Feuerwehrhaus“, erzählt Josef Löflath. Wann und weshalb es versetzt wurde, konnte nicht mehr ermittelt werden.
Das Originalkreuz ist allerdings verschwunden. Nach einer gemeinsamen Entscheidung beim ortsgeschichtlichen Arbeitskreis aber sollte eine Kopie dieses Grabkreuzes wieder am ursprünglichen Standort aufgestellt werden. Man nahm die Sache in die Hand, doch die gesamte Aktion gestaltete sich langwieriger als erwartet, einige Hürden mussten dafür erst genommen werden. „Die kyrillische Inschrift konnten wir nicht mehr genau lesen, und die alten Fotos halfen uns auch nicht weiter.“ Der Schriftzug und auch die lateinische Aufschrift hatte man anhand der Dokumente, so gut es ging, recherchiert.
Für das Holzkreuz wurde nach einer aufwendigen Suche dann im nördlichen Landkreis endlich ein geeigneter Eichenstamm gefunden, den Transport dieses Schwergewichts übernahm eine Spedition. Die passgenauen Schreinerarbeiten erledigte Ludwig Wilhelm aus Hammel. Mit vereinten Kräften schaufelten Peter Obeth und Josef Tosi das Erdloch für ein Fundament aus, und die Edelstahlhalterung wurde einbetoniert.
Natürlich gab es auch ganz formelle Hürden zu nehmen, insbesondere benötigten die Ortsgeschichtler einen Gestattungsvertrag mit der Stadt Neusäß, um das Kreuz wieder am Ottmarshauser Friedhof aufstellen zu können. Sie müssen sich künftig auch um den Unterhalt kümmern.